Lernen

Unter Lernen versteht man den absichtlichen (intentionales Lernen) und den beiläufigen (inzidentelles und implizites Lernen) Erwerb von neuen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Der Lernzuwachs kann sich auf geistigem, körperlichem, charakterlichem oder sozialem Gebiet ereignen. Aus lernpsychologischer Sicht wird Lernen als ein Prozess der relativ stabilen Veränderung des Verhaltens, Denkens oder Fühlens aufgrund von Erfahrung oder neu gewonnenen Einsichten und des Verständnisses (verarbeiteter Wahrnehmung der Umwelt oder Bewusstwerdung eigener Regungen) aufgefasst.

Die Fähigkeit zu lernen ist für Mensch und Tier eine Grundvoraussetzung dafür, sich besser den Gegebenheiten des Lebens und der Umwelt anpassen zu können, darin sinnvoll zu agieren und sie gegebenenfalls im eigenen Interesse zu verändern. So ist für den Menschen die Fähigkeit zu lernen auch eine Voraussetzung für ein reflektiertes Verhältnis zu sich, zu den anderen und zur Welt. Die Resultate des Lernprozesses sind nicht immer von den Lernenden in Worte fassbar (implizites Wissen) oder eindeutig messbar.

Biologische Perspektive

Physiologische Grundlagen des neuronalen Lernens

Die neurobiologischen, physiologischen und medizinischen Grundlagen des Lernens stützen sich zunächst auf einfache Tiermodelle der Konditionierung. Den Tieren und speziell natürlich dem Menschen ist die Fähigkeit der Assoziation von Sinneseindrücken (und bisher Gelerntem) eigen. Assoziationen in Nervensystemen entstehen durch die Bildung oder Verstärkung von neuronalen Verknüpfungen (Synapsen) bei gleichzeitiger Aktivität (Aktionspotentiale) in zwei Neuronen oder Neuronengruppen. Dieses Prinzip macht es auch möglich, bereits Gelerntes wieder zu verlernen. Bleiben Fähigkeiten ungenutzt, werden die Verbindungen der entsprechenden Synapsen schwächer oder gehen ganz verloren. Dafür bauen Proteine die reiz-empfangende Synapse um: Die sogenannte mRNA bringt die Baupläne der Proteine zur Synapse, die gerade neu strukturiert werden muss. Die Fähigkeit zur neuronalen (Neu-)Verknüpfung wird unter dem Schlagwort neuronale Plastizität zusammengefasst. Die zeitliche Kontingenz von Reizen als Voraussetzung für das Lernen und als Konsequenz aus dem Ursache-Wirkungs-Prinzip macht klar, dass Lernen immer zeitabhängig, das heißt: ein Prozess ist, der Begriff „Lernprozess“ ist also streng genommen ein Pleonasmus.

 

Die Art der Informationsspeicherung hängt vom jeweiligen Gedächtnis ab. Im Ultrakurzzeitgedächtnis werden sie als elektrische Impulse verarbeitet und mit bereits gespeicherten Vorinformationen verknüpft. Nach maximal 20 Sekunden gehen diese Informationen verloren, da die elektrischen Impulse abklingen. Bei der Ablage von Informationen im Kurzzeitgedächtnis kommt das Prinzip der (frühen Phase der) Langzeit-Potenzierung zum Tragen. Bei der Abspeicherung im Langzeitgedächtnis werden zusätzliche zelluläre Mechanismen angenommen, die z.B. als Folge der späten Phase der Langzeit-Potenzierung an den jeweiligen, beteiligten Neuronen Zytoskelettveränderungen hervorrufen, die zur Vermehrung der Synapsen führen, was dann die Information strukturell verankert. Anders ausgedrückt geht man davon aus, dass im Zuge der synaptischen Aktivität neu gebildete Proteine unterschiedlicher Art fest in den Nervenzellen eingelagert werden und damit die Information über den Lernvorgang langfristig gespeichert wird.

 

Den Durchbruch hinsichtlich der Erforschung der Prozesse, die beim Lernen im Gehirn vorgehen, schaffte Eric Kandel, der für seine Forschungsergebnisse mit dem Medizinnobelpreis 2000 ausgezeichnet wurde.

Anatomische Grundlagen des neuronalen Lernens

Die makroskopische Anatomie liefert mehrere Orte im Gehirn, die ganz wesentlich erhalten sein müssen, um Lernen zu ermöglichen. All diese Hirnareale sind im sogenannten Papez-Neuronenkreis zusammengefasst. Kurz gesagt kann man davon ausgehen, dass schon das evolutionär alte paleo- und archikortikale limbische System ausreichend war, essentielle Lernvorgänge zu ermöglichen und daher heute noch die Grundlage für höhere Gedächtnisleistungen darstellt.

Psychologische Perspektive

Eckpfeiler des Lernbegriffs

Zum Grundinstrumentarium des Lernens gehören neben dem Lernprozess auch die Fähigkeit zur Erinnerung (Gedächtnis) und des Abrufens (Anwendung von Erlerntem oder Lerntransfer). Jedoch ist Lernen mehr als das reine Abspeichern von Informationen. Lernen beinhaltet die Wahrnehmung und Bewertung der Umwelt, die Verknüpfung mit Bekanntem (Erfahrung) und das Erkennen von Regelmäßigkeiten (Mustererkennung).

Lernende beginnen mit dem Lernen nicht als unbeschriebenes Blatt (tabula rasa). Jedes Lernen setzt auf einem Lerntyp auf, einer angeborenen Eigenschaft, Vorerfahrung oder aktuellen Ausprägung bei der Nutzung von Sinneskanälen oder der Fähigkeit, in verschiedene Lernarrangements einzusteigen (z. B. in ein Experiment als Lernausgangspunkt Experimentelles Lernen). Wer lernt (siehe Lernkurve), kann auch vergessen (Vergessenskurve), etwa wenn regelmäßige Übung oder Anwendung unterbleiben.

Lernen ist nicht unbedingt ein bewusster oder absichtsvoller Vorgang (siehe auch inzidentelles Lernen und implizites Lernen), sondern häufig beiläufig und ungeplant (siehe informelles Lernen, Modell-Lernen). Lernen kann unter Zuhilfenahme von Lehrmethoden und Lernstrategien planvoll gestaltet werden (siehe auch Unterricht).

Unterschiedliche Formen des Lernens sind bekannt und werden von verschiedenen Lerntheorien beschrieben. Die genaue Funktionsweise des Lernens ist allerdings wissenschaftlich noch nicht geklärt und durchaus umstritten, weshalb sich verschiedene Lerntheorien in Ansätzen und Herangehensweisen durchaus widersprechen können.

Lernprozess

Der Ablauf eines Lernprozesses war bereits in der antiken Philosophie ein Thema. Die Forschung hat im Laufe der Jahrhunderte zahlreiche Theorien hervorgebracht und basiert auch heute noch auf verschiedenen, kontroversen wissenschaftstheoretischen Grundannahmen. Die Spannbreite reicht von der Grundannahme, dass die Prozesse im menschlichen Gehirn in einer Black-Box verborgen bleiben und bestenfalls über medizinische Untersuchungsmethoden und quantitativ-empirische Methoden erforscht werden können, bis hin zur Forschung vom Subjekt aus, bei dem die Aussagen des Lernenden zu seinen eigenen Empfindungen und Abläufen im Lernprozess über Introspektion zur Grundlage der Forschung gemacht werden.

 

Eine Form der Beschreibung findet sich in Arbeiten zur Lernkurve und zum Vergessen (Vergessenskurve).

 

Die Eckpunkte für ein Modell vom Lernprozess sind

  •     das Ausgehen vom bisher Gelernten: Lernen geschieht auf der Grundlage der bereits gemachten Erfahrungen und erworbenen Fähigkeiten und schließt sich an diese an.
  • die Erfahrung einer Lernnotwendigkeit: Diese kann durch den Wunsch einer Erweiterung der Zugriffsmöglichkeiten auf die Welt entstanden sein. Grundlegend ist hierfür die Erfahrung einer Störung in einem gewünschten Ablauf (Klaus Holzkamp 1984). Diese Erfahrungen basieren auf der Wahrnehmung, der Aufmerksamkeit und der Aufmerksamkeitslenkung. Die Lernnotwendigkeit kann auch von außen vorgegeben sein.
  • die Erprobung von Möglichkeiten, um diese erfahrene Behinderung zu beseitigen: In dieser Phase ist der Lernwiderstand zu überwinden.
  • das Aushandeln zur Bedeutung des Gelernten: Die Ergebnisse des Experimentierens mit sich selbst und anderen Menschen werden bewertet.
  • die daraus erwachsene Restrukturierung einer Deutungsbasis: Vor ihrem Hintergrund können weitere Welterfahrungen gemacht werden.

Lernen entsteht aus Handlungen und Handlungen entwickeln sich in sozialen Situationen. Lernen ist also situations- und kontextgebunden. Lernen kann als Fähigkeit verstanden werden, die bisherigen Handlungsmuster zu korrigieren, neue Muster aufzugreifen und eine Adaption an sich verändernde Bedingungen durchzuführen. Demzufolge kann der Vorgang des Lernens in die Bereiche Lernprozess und Lernergebnis unterteilt werden. Im Begriff Lernprozess ist die Frage des »wie gelernt wird« enthalten. Das »wie« kann man sich als Verarbeitung von Informationen vorstellen. Für individuelle und kollektive Lernprozesse kommt es darauf an, dass Informationen aufgenommen, interpretiert, gespeichert und Schlussfolgerungen daraus gezogen werden. Knoepfel, Kissling-Näf und Marek gehen davon aus, dass zu Beginn »von Lernprozessen Auslöser stehen, z. B. in Form einer Katastrophe, eines Ereignisses, einer behördlichen Anweisung oder des Auftretens neuer Handlungsoptionen oder -instrumente.« Damit Lernprozesse in Gang kommen, müssen diese Auslöser bei den beteiligten Akteuren Betroffenheit und einen Problemdruck hervorrufen, der sie zum Handeln veranlasst. Im Fall wiederkehrender Katastrophen kann eine beabsichtigte Reduzierung von Unsicherheit als Auslöser für Lernprozesse angesehen werden:

»Moreover, learning processes frequently occur in attempts to reduce uncertainty by means of planned interventions into reality.«

Ebenfalls müssen die Akteure über gemeinsame Ansichten zur Lösung des Problems verfügen.

Max Miller sieht den Begriff »Lernprozess« ähnlich definiert:

»A learning process and some outcome of a learning process can only be attributed to a group of human beings if at least a majority of the individuals members constituting that group can be said to have performed that learning process.«

Das Lernergebnis weist aus, »was gelernt wurde. « Welches Wissen konnte hinzugewonnen werden und welche Verbesserungen ergaben sich daraus. Sowohl beim Individuum als auch bei sozialen Systemen kommt es bei erfolgreichem Lernen zu einer permanenten Adaptions- bzw. Lernleistung. Damit soll kein rein reaktives Lernschema beschrieben werden. Im besten Fall verläuft Lernen proaktiv: Individuen und Systeme denken zukünftige Entwicklungen voraus und handeln dementsprechend.

Verschiedene Arten des menschlichen Lernens

Lernprozesse werden nach verschiedenen Kriterien klassifiziert:

Ist das Kriterium die Art des gelernten Verhaltens, kann zwischen dem Erlernen von Bewegungsabläufen (motorisches Lernen), dem Erlernen sprachlicher Inhalte (verbales Lernen), dem Erlernen von Strategien − einschließlich Lernstrategien (Metalernen), dem Erlernen von sozialen Normen (Sozialisation) usw. unterschieden werden.

Ein anderes Kriterium zur Klassifizierung von Lernprozessen ist die Komplexität des gelernten Verhaltens. Einfache Anpassungen werden durch Sensitivierung und Habituation erworben. Eine komplexere Form ist das assoziative Lernen. Dabei werden zwei Ereignisse miteinander verknüpft (assoziiert). Beim sog. S-S-Lernen sind dies zwei Reize, beim S-R-Lernen ein Reiz mit einer Reaktion. Zwei bekannte Arten des assoziativen Lernens sind die Klassische Konditionierung und die operante Konditionierung. Weitere Formen assoziativen Lernens sind die Prägung, das Lernen am Erfolg sowie Generalisierungs- und Diskriminationslernen. Komplexere Verhaltensweisen werden durch Lernen durch Einsicht, durch Lernen lernen und durch strukturelles Lernen erworben.

Ein weiteres Kriterium zur Klassifizierung von Lernprozessen ist die Rolle des Lerners. Dabei wird unterschieden zwischen inzidentellem Lernen, intentionalem Lernen, entdeckendem Lernen, selbstbestimmtem Lernen, expansivem Lernen, widerständigem Lernen usw.

Biologische Grundformen

Bei dieser Form kommt es zu Bedeutungszuweisungen für bestimmte Reize. In diesen Lernprozessen entscheidet sich, wie ich mit einem Reiz in welcher Intensität umgehe. Hier gibt es wiederum eine Unterscheidung.

Kognitive Verknüpfungen

Hier haben wir es mit Kognition im weitesten Sinne zu tun. Bestimmte Ereignisse, Symbole und Begriffe werden mit unserer bisherigen Erfahrung verknüpft. Es findet also eine Bedeutungszuweisung zu einzelnen Reizen statt und es werden Zusammenhänge zwischen Reizen hergestellt.

Quelle: Wikipedia