Brennen, nicht verbrennen

Die großen Religionen der Erde haben das Feuer stets als sehr ambivalent betrachtet: Einerseits ist es der Ursprung vieler kultureller Fortschritte, andererseits ist seine Gewalt mitunter nicht beherrschbar und wirkt sich zerstörerisch aus. So ist das Feuer auch in der Bibel und der christlichen Spiritualität Symbol für Heil und Unheil zugleich.

Von dieser ambivalenten Sicht des Feuers ist nur einer ausgenommen: Gott, der dem Mose im brennenden Dornbusch begegnet (Ex 3,1-5.14). Dort heißt es: „Da brannte der Dornbusch und verbrannte doch nicht.“ (Ex3,2) Gott hat die schöpferische Kraft des Feuers, aber er zerstört nichts. Gott ist unermessliche Energie, aber er erschöpft sich nicht. Gott ist brennende Liebe, die nie vergeht. In die profane Sprache unserer Zeit übersetzt: Gott ist die einzige völlig regenerative und wirklich unerschöpfliche Energiequelle.

Im Unterschied zu allen Religionen geht die Industrialisierung der Neuzeit mit einer fatalen Vergessenheit der Ressourcenbegrenzung und der Ambivalenz des Feuers einher: Erst verbrennt man vom 16. bis zum 18. Jh. das Holz, so dass die Wälder Europas fast völlig zerstört sind. Dann wird vom Ende des 18. bis zum Beginn des 20. Jh. die Kohle zum Hauptenergieträger der Industrialisierung, deren Verbrennung die Menschen in den Industriegebieten kaum atmen lässt. Das 20. Jh. ist das Jahrhundert von Öl und Gas, deren Gewinnung und Verbrennung ebenfalls katastrophale Folgen haben. Und seit Mitte des 20. Jh. kommt schließlich das Uran hinzu, dessen unsichtbare Strahlung die tödlichste Wirkung entfaltet. Sowohl die Gewinnung als auch die Verbrennung als auch die „Endlagerung“ dieser Energieträger (bei den ersten vier die Luft, beim fünften unterirdische Höhlen) sind mit verheerenden Folgen verbunden – auf Jahrtausende!

Es führt also kein Weg daran vorbei, die Energieversorgung der Zukunft ähnlich dem Prinzip des brennenden Dornbuschs zu organisieren. Die Verbrennung von Abfall- und Schwachholz kann darin eine begrenzte Rolle spielen, weil sie immerhin kohlendioxidneutral ist, wenn sofort neue Bäume gepflanzt werden. Aber der Königsweg im Sinne des Dornbuschprinzips kann nur die Sonnenenergie sein. Sie kommt dem Dornbusch schon sehr nahe, indem sie brennt, aber (gemessen am Alter der Menschheit) nicht verbrennt. Und doch: Auch die Sonne ist nicht Gott. Sie bleibt ein endliches, vergängliches Geschöpf.

(Michael Rosenberger)